«Gerade in Krisenzeiten wie jetzt ist es umso wichtiger, dass wir qualifizierten Berufsnachwuchs ausbilden», sagt Christian Fiechter, Präsident der Hans Huber Stiftung, die sich für die Förderung der Berufslehre einsetzt. Die Wirtschaft sei darauf angewiesen, und deshalb seien in der Ostschweiz auch noch «Last Minute Lehrantritte» möglich. Erstmals wird in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsintegrationsprogramm «Rheinspringen» in St.Gallen der Workshop «Fit für die Lehre» angeboten.
«Rheinspringen» hat zum Ziel, Jugendliche und junge Erwachsene in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Laut Susan Eberle, Leiterin Administration, ist das Arbeitsintegrationsprogramm auf die Workshops «Fit für die Lehre» der Hans Huber Stiftung gestossen, weil man auf der Suche nach Partnern sei, um möglichst eine grosse Wirkung zu erzielen: «Wir betreuen Jugendliche im Bewerbungsprozess und sind dankbar um externe Unterstützung.» «Rheinspringen» betreue Jugendliche, die die Oberstufe abgeschlossen haben und auf Lehrstellensuche seien: «Wir sehen solche Workshops als grosse Chance für Jugendliche, die Unterstützung bei der Lehrstellensuche brauchen.»
Nicht alle Lehrstellen besetzt
Stiftungsratspräsident Christian Fiechter freuts, denn: Mit Blick auf die verschiedenen Portale mit offenen Lehrstellen und aufgrund seiner Kenntnisse in der Ostschweizer Wirtschaft sagt er, dass auch ein Lehrstellenantritt nach den Sommerferien bei scheinbar hoffnungslosen Aussichten kein Ding der Unmöglichkeit sei, denn: «Manchmal muss es einfach passen. Und wenn Unternehmen bei Jugendlichen spüren, dass sie begabt und motiviert sind, sind sie auch jetzt gerne noch bereit, eine Lehrstelle zu besetzen.» Fiechter weiss, dass etliche Ostschweizer Betriebe bei weitem nicht alle Lehrstellen besetzen konnten, und betont: «Das ist gefährlich für die Zukunft. Denn der Aufschwung nach der Corona-Krise kommt bestimmt. Und es ist kaum etwas schlimmer, als wenn in einer längeren Aufschwungphase noch weniger Fachkräfte die Arbeit bewältigen können.» Schon jetzt hätten Unternehmen Mühe, Lehrstellen und Arbeitsstellen zu besetzen. Dieser Fachkräftemangel könnte sich akzentuieren, und diesem Szenario wolle die Hans Huber Stiftung entgegenwirken. Lehrverträge können in der Ostschweiz gemäss den Informationen der kantonalen Berufsbildungsämtern noch bis zu den Herbstferien unterzeichnet werden. Allerdings weist Fiechter darauf hin, dass es nicht Notlösungen sein sollten und die Abklärungen wirklich fundiert gemacht wurden.
Förderung bleibt, Verleihung verschoben
Wegen der Pandemie habe sich der Stiftungsrat zwar entschieden, die offizielle Preisverleihung in Heerbrugg nach 2020 auch 2021 nicht durchzuführen. «Wir wollen uns aber trotzdem für den Berufsnachwuchs engagieren», betont Fiechter. Er sei zuversichtlich, dass dieses Jahr wiederum an verschiedenen Standorten die beliebten Seminare «Fit für die Lehre» durchgeführt werden können – bereits sind in den Kantonen Thurgau, St.Gallen und Graubünden Termine fixiert worden. Sven Hafen aus Tägerschen, lernender Dachdecker ist mit Überzeugung dabei, weil er anderen Mut machen will: Die Dachdecker-Lehre ist bereits sein zweiter Anlauf, nachdem er in seinem ersten Lehrbetrieb als Lastwagenmechaniker nicht mehr glücklich war. Er entschied sich, die erste Lehre zu Beginn des dritten Lehrjahres abzubrechen. Nun beginnt in seinem zweiten Lehrbetrieb das zweite Lehrjahr und Hafen sagt zufrieden: «Ich bin mega happy. Es ist keine Schande, wenn man eine zweite Lehre anfängt.»
Ostschweiz gut gerüstet
Fiechter freut sich, dass die Lage auf dem Lehrstellenmarkt insgesamt einigermassen positiv ist. Gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation seien derzeit mehr Lehrverträge abgeschlossen worden als zur selben Zeit im Vorjahr: «Auch das stimmt mich zuversichtlich.» Das bestätigt auch Stefan Curiger, Leiter Betriebliche Bildung beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons Thurgau: «Im Thurgau wurden bis jetzt sogar 57 Lehrverträge mehr als im Vorjahr abgeschlossen.» Dies sei für die Wirtschaft ein wichtiges Signal, betont Fiechter. Er sei überzeugt, dass die Ostschweiz mit einer relativ tiefen gymnasialen Maturitätsquote besonders gut für die Zukunft gerüstet sei, weil für den absehbaren Aufschwung noch mehr Fachkräfte mit praktischen Fähigkeiten und hoher Sozialkompetenz aus dem Betriebsalltag gefragt seien.