„Wir haben uns aus der völligen Normalität heraus entwickelt und sind mit den Herausforderungen gewachsen“, sagt Arthur Summer aus Bludenz über die Art, wie er und sein Weggefährte Johann Rudigier aus Thüringen (Österreich) die Berufsschule Bludenz prägten. Als Modellschule mit praktischen Übungsmöglichkeiten entsprach sie schon früh neuzeitlichen technologischen Anforderungen.
Arthur Summer hatte in den Siebziger Jahren des letzten Jahrtausends als Direktor grosse Pläne mit seinem Institut. Sein grosses Ziel war es, aus einer ursprünglich theoretisch orientierten Schule eine praktizierende Berufsschule zu machen. Er brauchte für seine Ideen nur noch einen Mann der Tat, den er in Johann Rudigier bald schon fand. Die beiden haben sich hervorragend ergänzt.
Der ausgebildete Lehrer Arthur Summer zeichnete sich dadurch aus, dass er sich mit viel Unternehmergeist und voller Ideen dem Neuen zuwendete. Er verfolgte sie mit aussergewöhnlicher Hartnäckigkeit und fand mit viel Geschick pragmatische Lösungen, die innert nützlicher Frist realisiert werden konnten – ganz nach dem Motto „Handle mit Auftrag, handle ohne Auftrag, handle gegen den Auftrag, aber handle im Interesse des Unternehmens“. Nicht ohne Stolz und einem schelmischen Lächeln sagt Arthur Summer denn auch: „Wir haben die Lehrpläne nach den neuen Erfordernissen selber gestaltet und waren anfänglich in Österreich die einzige Schule, die nicht nach den Regeln entwickelt wurde.“ Johann Rudigier war als gelernter Maschinenschlosser mit Meisterprüfung in all den Jahren die starke praktische Stütze und der kompetente Umsetzer. Seine handwerklichen Grundlagen und sein Gespür für Fortschritt halfen ihm, stets dem neuesten Stand der Technologie folgen und voraus denken zu können. Später wurde er aufgrund dieses Leistungsausweises Nachfolger von Arthur Summer als Direktor der Berufsschule Bludenz.
Für ihre Vorstellungen, die etliche Jahre später als vorbildlich taxiert werden, mussten die beiden kämpfen. Zusammen mit dem jungen Kollegenteam gelang es, Werkstätten und Labors einzurichten, die neue Ausbildungsmethoden zuliessen. In den Ministerien sei man davon noch lange nicht überzeugt gewesen. Zum eigentlichen Schlüsselerlebnis und Katalysator wurde 1982 ein Besuch an der Werkzeugmesse in Hannover. Johann Rudigier erinnert sich: „Die Japaner haben damals schon alles mit Computern gesteuert. Das war für uns Ansporn, unsere konventionellen Techniken so schnell wie möglich zu ändern.“ Es sei klar geworden, dass „wir zwei Schritte schneller laufen mussten als die anderen“.
Arthur Summer weiss noch gut, dass dieser Technologieschritt damals nicht von allen begrüsst wurde. Aber er zog alle Register, um die Ausbildung auf eine neue Basis mit Computern zu stellen. Und sehr schnell waren 140 PCs vernetzt und einsatzbereit – für jene Zeit in den hiesigen Breitengraden ein absolutes Novum. Rückendeckung erhielt die Berufsschule Bludenz von der Wirtschaft. Im Arbeitskreis „Vorarlberger Eisen-, Metall- und Elektroindustrie“ fand ein fruchtbarer Gedankenaustausch statt. Daraus habe sich eine vorbildliche Zusammenarbeit entwickelt: „Die Schule wurde in einem ersten Schritt geöffnet und die Wirtschaft als Partner einbezogen.“ Zielgerichtet und gemeinsam wurde in einem zweiten Schritt das Modell „High-Tech-Berufe“ entwickelt, das noch heute laufend Investitionen in neue Technologien und eine zukunftsorientierte Ausbildung ermöglicht. Johann Rudigier begann die Umsetzung mit herkömmlichen Fachkräften aus Industrie und Gewerbe: „Heute kann man in den verschiedensten Bereichen auf Spezialisten zurückgreifen, und es läuft natürlich alles viel eleganter als in den Anfängen.“ In einem dritten Schritt wurde die Schule durchlässiger gemacht, was heisst, dass auch allgemein bildende oder Sprachfächer in den Lehrplan aufgenommen wurden. Schülerinnen und Schüler könnten deshalb optimal auf die Berufsmatura und den Anschluss an Fachhochschulen vorbereitet werden. Dies, so Summer, sei „eine der grössten Errungenschaften“ gewesen, die auch die ständige Kooperation mit anderen Schulen erfordert.
Mit dem eingeschlagenen Weg gingen Summer und Rudigier ein Wagnis ein. Summer: „Die Entwicklung konnten wir anfänglich nie genau abschätzen. Aber plötzlich kamen wir personell und räumlich immer wieder ans Limit.“ Seither hat die Berufsschule Bludenz denn auch einige beispielhafte Ausbauschritte hinter sich, und die Studentenzahl ist von 250 auf über 1000 gestiegen.
Das „Dreamteam“ Rudigier und Summer war getrieben vom Wunsch, das Potenzial von jungen Nachwuchskräften voll zur Entfaltung zu bringen. Der Nachwuchs, so Summer, sei nicht stärker geworden, aber wichtig sei, „dass er willig ist“. Das Problem liege nach wie vor darin, so Rudigier, „dass die Crème de la Crème bereits weg ist. Schüler, die an unsere Schule kommen, machen oft erst später den Knopf auf. Aber dann sind es Topleute.“ Die Vorarlberger Wirtschaft zählt denn auch auf Absolventen der Berufsschule Bludenz. Die eingeschlagene Zusammenarbeit hat ihr entscheidende Wettbewerbsvorteile gebracht, und die neuen Technologien konnten sozusagen über die Lehrlinge in den Betrieben eingeführt werden.
Auch nachdem sie das Rentenalter erreicht haben, bleiben Arthur Summer und Johann Rudigier mit der Schule und der Wirtschaft eng verbunden. Vieles würden sie wieder genau gleich machen. Wenn Arthur Summer jedoch noch einmal vor der Berufswahl stünde, „würde ich gerne mein eigener Unternehmer werden“. Dabei lässt er bescheiden die Tatsache ausser Acht, dass er zusammen mit Johann Rudigier den eigentlichen Prototypen des „Bildungsunternehmers“ geprägt hat.