Köbi Frei

Vom Maschinenmechaniker-Lehrling über den Unternehmer zum Regierungsrat: Überall, wo es anzupacken galt, war Köbi Frei zur Stelle. Der Finanzminister von Appenzell Aussenrhoden ist damit ein leuchtendes Beispiel dafür, was man ohne Mittelschule erreichen kann.

Obwohl ihm die Kantonsschule aus finanziellen Gründen verwehrt blieb, fand Köbi Frei viele Chancen, um sich weiter zu entwickeln: Immer wieder stellte er sich neuen Herausforderungen. In seinem Lehrbetrieb wurde er als Gesamt-Lehrlingsvertreter Bindeglied zwischen Lernenden und Arbeitgeber. Kaum hatte er die Lehre als Maschinenmechaniker abgeschlossen, wurde ihm die technische Verantwortung für ein umfangreiches Projekt übertragen.  Als er als Betriebsleiter bei der Mawag Maschinenbau AG eintrat, fand er sich in einer Firma vor, die nahe dem Konkurs stand, und hat deshalb gleich wieder gekündigt. Doch dann trat man mit dem Anliegen an ihn heran, er möge die Leitung einer Auffanggesellschaft übernehmen. Prompt hat er die Gelegenheit beim Schopf gepackt: „Der Reiz lag für mich in der hohen Erwartungshaltung an mich.“ Der wirtschaftliche Druck bekam plötzlich einen anderen Stellenwert, und die Sicherung von Arbeitsplätzen war ihm ein grosses Anliegen. Die Herausforderungen waren mannigfaltig, und Köbi Frei hat sozusagen „on the job“ gelernt, sie zu meistern. Er spürte aber auch eine breite Unterstützung auf Kapital- wie auf Personalseite.

Bei der Gründung der Auffanggesellschaft lagen Köbi Frei die Lernenden am Herzen: Er fühlte sich moralisch verpflichtet, für die jungen Leute einzustehen und ihnen weiterhin eine fundierte Ausbildung bieten zu können. Bei der Mawag Produktions AG wird insbesondere Wert darauf gelegt, dass den jungen Berufsleuten früh Verantwortung übertragen wird. Um sich persönlich davon überzeugen zu können, erklärte Köbi Frei die Lehrlingsausbildung zur Chefsache.

So sagte er auch einem Pilotprojekt zur Durchführung einer individuellen Lehrabschlussprüfung spontan zu und erstellte für einen Lernenden einen herausfordernden Projektbeschrieb: Der junge Berufsmann hatte einen Monat Zeit, eine Anlage einsatzfähig zu montieren, zu dokumentieren und vor den Prüfungsexperten zu präsentieren. Diese produktive Prüfungsarbeit mit einer Projektsumme von rund 40’000 Franken motivierte den Lernenden nicht nur, sondern bescherte ihm auch eine blanke Sechs als Prüfungsnote.

Damit wurde Köbi Frei in seiner Einstellung bestätigt, dass Lernende gefordert werden müssen und dass dies auch sehr stark mit der inneren Einstellung des Ausbildners zu tun hat. In seinen Bestrebungen kam ihm seine Meisterausbildung zugute. Köbi Frei ist überzeugt, dass Jugendliche Verantwortung nur bewusst übernehmen, wenn man ihnen Entfaltungsmöglichkeiten bietet, Verbindlichkeit signalisiert und sie auch in die Pflicht nimmt: „Junge Menschen können sich aus verschiedenen Ausgangslagen heraus positiv entwickeln. Schwächere  entwickeln sich oft sehr schnell. Die Nachwuchsförderung ist deshalb ein riesiges Potenzial.“ Das duale Berufsbildungssystem heisse auf der anderen Seite aber auch „zu lernen, schon früh die Ärmel nach hoch zu krempeln und anzupacken“. Bis am Schluss seiner Tätigkeit als Unternehmer blieb Köbi Frei auch oberster Lehrlingsverantwortlicher. Zwar hat er für die fachliche Betreuung einen Mitarbeiter eingesetzt, aber die Kontakte zwischen Lernenden, Eltern und Firma nahm er immer persönlich war, weil dieses Dreiecksverhältnis für den langfristigen Erfolg entscheidend sei.

Dies gelte nicht nur für die einzelnen Situationen, sondern für die Ostschweizer Industrie generell: Sie sei auf gute Lehrabgängerinnen und  -abgänger mehr denn je angewiesen. Auch seine beiden Töchter tragen – wenn auch nicht im „klassischen dualen Sinn“ – dazu bei: Sie haben die Wirtschaftsmatura mit Berufsteil gemacht, wozu viele Praxiseinsätze und Sprachaufenthalte gehören und die Maturaarbeit im vierten Jahr im Umfeld eines Unternehmens verfasst werden muss.

Köbi Frei zeigt am eigenen Beispiel seine Ansicht auf, dass die duale Berufsbildung sehr wertvoll ist und Möglichkeiten bietet, sich in verschiedenen Gebieten zu entwickeln. Köbi Frei wäre deshalb nicht Köbi Frei, hätte er nicht eine neue Herausforderung akzeptiert, als er sein Unternehmen wieder in ruhigeren Gewässern steuerte. Als er seine militärische Führungsfunktion niederlegte, setzte er es sich zum Ziel, politisch aktiv zu werden, „weil ich hinter die Kulissen von Verwaltung und Regierung blicken wollte“. Im Kantonsparlament konnte er sich als Wirtschaftsvertreter engagiert für adäquate Rahmenbedingungen einsetzen – unter anderem für das neue Berufsbildungsgesetz, denn: „Alles braucht eine Lobby – auch die Berufsbildung.“

Nach einigen Jahren als Unternehmer und Kantonsrat stand er dann vor der Gelegenheit, für die Ausserrhoder Regierung zu kandidieren: „Das war ein schwieriger Entscheid, und im Betrieb herrschte keine Freude, als ich zusagte. Aber der Drang, etwas Neues zu machen war einfach grösser.“ Die Wahl in den Regierungsrat brachte Köbi Frei neue Gestaltungsmöglichkeiten. Als Finanzminister ist es ihm wichtig, Zusammenhänge zu erkennen, danach zu handeln und nicht nur nackte Zahlen zu sehen. Auch als Exekutivmitglied setzt er sich für die Berufsbildung ein: „Wir müssen die kantonalen Freiheiten nutzen, damit die Berufslehre positiv weiter entwickelt wird.“ Auf Finanzseite achte er verstärkt darauf, dass „das Geld wirklich in Bildungszwecke und nicht in Beton- oder Prestigeobjekte fliesst.“ Und: „Mehr Geld heisst nicht unbedingt mehr Qualität.“

Mittlerweile hat Köbi Frei die Beteiligung an seinem Unternehmen veräussert und ist Vollblutpolitiker. Bei allen Veränderungen und Herausforderungen zieht sich in Köbi Freis Leben aber auch eine Konstante durch: „Eine intakte Familie ist für solche Tätigkeiten ein wichtiger Rückgrat.“