Der Doktor der Wirtschaftswissenschaften macht eine Bahnlehre und wird zu einem wichtigen Repräsentanten der dualen Berufsbildung: Gewerbedirektor Armin Mühlematter, St.Gallen (Schweiz) leitete die Durchführung von zwei Berufsweltmeisterschaften in St. Gallen. Damit stellte er die Berufslehre und ihre Chancen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Armin Mühlematter sprüht im Ruhestand noch vor Ideen und steht der Jugend in Ausbildungsfragen noch immer sehr nahe. Die beiden Berufsweltmeisterschaften, die er 1997 und 2003 in St. Gallen als Präsident des Organisationskomitees durchgeführt hat, haben viel dazu beigetragen. Als Geschäftsführer der Gewerbeverbände der Kantone St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden war Armin Mühlematter schon viele Jahre eng mit der Berufsbildung vertraut, haben diese Verbände doch den Auftrag, die Lehrabschlussprüfungen alljährlich durchzuführen. In dieser Funktion wuchs in ihm die Überzeugung, dass die Berufsbildung die Basis der Volkswirtschaft sei. Deshalb habe er sich gerne in das Abenteuer der Berufsweltmeisterschaften hineingewagt. Die guten Beziehungen zu schweizerischen Berufsverbänden und seine Erfahrung als Politiker haben ihm dabei geholfen. Mühlematters Triebfeder war der Wunsch, dass die Berufsbildung „besser verkauft werden muss“. Denn: „Es gibt einfach viele falsche Vorstellungen von Handwerkern. Diese Berufe haben sich enorm weiterentwickelt und bieten heute auch die Möglichkeit, mit modernster Technologie zu arbeiten. Das ist ein ganz neuer Anreiz.“
Die erste Berufsweltmeisterschaft war für Armin Mühlematter „ein schöner Übergang in den Ruhestand“. Aus Begeisterung für die Sache hatte nach der Pensionierung bei den Gewerbeverbänden das Präsidium übernommen: „Alles hatte mit einer ‚Bratwurst-Wein-Vision’ im St.Galler Staatskeller begonnen.“ Nach einem harten Bewerbungskampf setzte sich sein Team zum Ziel, neue Massstäbe zu setzen. So hob sich denn gemäss Kommentaren von Kandidaten und Experten die Organisation und Durchführung des Grossanlasses deutlich von früheren Austragungen ab. Die Teamleistung sei entscheidend gewesen, sagt Mühlematter im Rückblick. Und wenn nicht die Mehrheit dieses Teams im Jahre 2003 wieder zu einem aussergewöhnlichen Einsatz bereit gewesen wäre, hätte es keine zweite Berufweltmeisterschaft in St.Gallen gegeben.
Für die zweite Austragung in der Schweiz nach so kurzer Zeit galt das Sprichwort „unverhofft kommt oft“: Die Weltmeisterschaft hätte eigentlich in Dubai durchgeführt werden sollen. Weil es aber von Anfang an Probleme gab, entschieden sich die Verantwortlichen drei Jahre vor der geplanten Austragung, den Grossanlass nicht durchzuführen. Das brachte die international verantwortliche Organisation WorldSkills in arge Bedrängnis. Doch der Kanton St.Gallen und sein bewährtes Team reagierten prompt: „Wir klärten mit den wichtigsten Partnern ab, ob eine Durchführung realistisch ist und stellten WorldSkills unsere guten Dienste zur Verfügung.“ Die Rechnung ging auf und schon bald kam der Auftrag zur Durchführung. Armin Mühlematter freut sich, dass die Skepsis verschiedener Organisationen und auch seitens des Bundes einer Begeisterung gewichen war. Dies zeigte sich letztlich auch am gestiegenen Interesse in der Öffentlichkeit. Die Medienpräsenz konnte fast verdoppelt werden und die Besucherzahl stieg von 150’000 auf 180’000. „Kein anderer Austragungsort hat je nur annähernd so viele Besucherinnen und Besucher angelockt“, resümiert Mühlematter, der diesen Erfolg unter anderem auf die optimale Kleinräumigkeit der internationalen Bodensee-Region zurückführt. Eine weitere Durchführung in den nächsten Jahren sei indes eher unwahrscheinlich, weil die nächsten Austragungsorte bereits vergeben seien. „Aber es wäre natürlich ein Hit für die Berufsbildung“, liebäugelt Mühlematter.
„Mit der Organisation der Berufsweltmeisterschaften konnten wir in der Öffentlichkeit sehr viel bewegen“, sagt Mühlematter. Und doch ist ihm bewusst, dass ihm alles ohne sein langjähriges Lobbying und die politische Knochenarbeit im Hintergrund nicht so einfach gefallen wäre. Seine politischen Kontakte als Kantonsrat, seine Kommissionstätigkeiten und seine vielfältigen Beziehungen zu Schweizer Wirtschaftsexponenten waren wichtige Netzwerk-Bausteine. Dadurch habe er in vielen Bereichen einen vertieften Einblick in Zusammenhänge erhalten.
Die Berufsweltmeisterschaften waren für St.Gallen auch eine Herausforderung für die Tourismusbranche und für den Verkehr. Armin Mühlematter wusste um diese Komplexität. Sie kam ihm sehr gelegen, denn schon als junger Mann wollte er immer „etwas mit Fremdenverkehr oder Verkehr machen“. Diese Neigung war auch ein Grund, weshalb Armin Mühlematter einen ganz ungewöhnlichen beruflichen Weg einschlug, der ihm später oft zugute kam und mit den Berufsmeisterschaften sozusagen gekrönt wurde: Er doktorierte in Wirtschaftswissenschaften und machte danach die komprimierte, neunmonatige Lehre als Betriebsakademiker bei den SBB. Verschiedene Aufgaben vom Bahnhofvorstand bis zum Direktionssekretär bei einer Privatbahn bereicherten seinen Erfahrungsschatz, bevor er sich bei den Gewerbeverbänden engagierte. Er lernte die Anforderungen der Praxis selber auf allen Ebenen genau kennen und setzte dieses Wissen konsequent zur Förderung einer fundierten, qualitativ hoch stehenden Berufsbildung um.