„Ich weiss nicht, was ich werden will.“ Dieser scheinbar orientierungslose Satz stand am Anfang des eindrücklichen beruflichen Werdegangs von Niklaus Kubli. Bald schon wusste er aber sehr wohl, was er wollte. Und noch heute – gewissermassen im «Unruhestand» – bewegt er in der Bildungslandschaft so manches.
Niklaus Kubli war der Pionier der beruflichen Ausbildung in einer Schweizer Grossbank und im Schweizer Bankwesen überhaupt: Vielleicht lag es an seiner „strategischen Veranlagung“, die er während seiner eigenen Ausbildungszeit lieber im Fussball- oder im Schachspiel nutzte, wofür sein inneres Feuer brannte; vielleicht traf er immer im richtigen Moment auf die richtigen Leute; und vielleicht war es das nötige Quäntchen Glück, das ihm beschieden war. Wahrscheinlich aber war es eine Kombination dieser Faktoren und sein ausgesprochen feines Gespür, das ihm letztlich zum Erfolg verhalf. Jedenfalls kann es wohl nicht daran liegen, dass er sich während seiner Mittelschulzeit – Zitat – „durchgespickt“ hat…
Die Matura hat er dann doch bestanden, und dank des Tipps eines Mittelschullehrers absolvierte er ein zweijähriges Praktikum bei der heutigen UBS: „Von da an hat nur noch der Zufall gespielt“, sagt Kubli über seine berufliche Entwicklung. Im Verlaufe der Jahre hatte er bei der Grossbank verschiedene Positionen im In- und Ausland inne – schwergewichtig im Personalwesen. Ausschlaggebend war die Berufung zum Lehrlingsausbildner im Jahr 1965: „Ich hatte keine Ahnung davon, und der Ausbildungsstandard lag damals gewissermassen bei Null.“ Niklaus Kubli hat mit einer „One Man Show“ begonnen, was heute als eine der vorbildlichsten internen Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme überhaupt gilt – mit rund 100 voll- und nebenamtlichen Ausbildungspersonen. Er machte aus der Not eine Tugend: Kubli ermöglichte es Jugendlichen, die keine Lehrstelle fanden, das nötige bankfachliche Basiswissen in einem dreijährigen internen Lehrgang zu erwerben. Die Ausbildung führte zwar nicht zu einer eidgenössischen Anerkennung, verhalf aber der Bank doch zu kompetenten Fachkräften. So begegnete er dem grossen Mangel auf dem Arbeitsmarkt mit einer eigentlichen Pioniertat. Unter seiner Führung entstanden zudem acht bankeigene Berufsschulzentren. Bald schon realisierte er, dass auch das junge Kader dringenden Weiterbildungsbedarf hatte. Sein bankinternes Engagement hatte Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung in der gesamten Schweizer Bankenlandschaft. Es trug wesentlich zur Weiterentwicklung der Ausbildung von eidgenössisch anerkannten Bankfachleuten bei, deren Prüfungskommission er jahrelang präsidierte.
Sein Rezept ist einfach: „Ich bin ein begeisterter Ausbildner. Ich habe einfach das Feuer dafür.“ Damit ist er ein leuchtendes Beispiel dafür, wie wichtig es ist herauszuspüren, wie das innere Feuer von Schulabgängern in der Berufswelt entfacht werden kann, selbst wenn man keine sonderliche Motivation zu spüren glaubt. Niklaus Kubli: „Es ist bis heute mein grösstes Anliegen, jungen Leuten die Chance zu bieten, sich weiter zu entwickeln. Das Hauptziel liegt darin, ihnen Fachkompetenz und Selbstsicherheit ohne arrogante Haltung zu vermitteln. Und ich will ihnen bewusst machen, dass sie eine soziale Verantwortung tragen.“
Niklaus Kubli ist direkt und ehrlich – da konnte es mitunter zu Zerwürfnissen kommen: zum Beispiel, als es um die Umkrempelung der kaufmännischen Lehre in der Schweiz ging, bei der er sich schliesslich zurückzog. Noch heute macht er keinen Hehl aus seiner Meinung, dass es auf lange Sicht nicht so weiter gehen könne: „Es ist falsch, immer mehr Schulstunden in eine Arbeitswoche zu pferchen. Wir müssen zu ganz anderen Systemen kommen. Denn wenn die Schulzeit zunimmt, wird es immer weniger Betriebe geben, die bereit sind, Lehrlinge auszubilden.“ Und er mahnt an die Adresse der Ausbildungsstätten: „Wenn die kaufmännischen Berufsschulen da nicht aufpassen, wird man ihnen einiges aus den Fingern nehmen. Sie müssen sich vermehrt als Dienstleistungsunternehmen sehen.“ Als positives Beispiel fügt er die seiner Meinung nach vernünftigen Schulblöcke in Lehrberufen des Bauwesens an. Mahnende Worte richtet Kubli auch an die Verantwortlichen der Berufsmatura, die er im Grundsatz als sehr positiv wertet: Man könne jedoch nicht in der gleichen Zeit immer noch mehr Unterrichtsstoff vermitteln. Allenfalls müsse man bereit sein, eine Verlängerung der Lehrzeit in Kauf zu nehmen.
Die Möglichkeit, nach der Matura in Unternehmen ein längeres Praktikum zu absolvieren, betrachtet Niklaus Kubli als hervorragende „duale Alternative“. Sein persönliches Beispiel zeige konkret, wie sich auf diese Weise Theorie und Praxis ideal befruchten: Es sei für Unternehmen ein Vorteil, wenn Mittelschüler mit guter Allgemeinbildung eine Praktikumsstelle anträten, während der sie ohne Unterbruch tätig sein können: „Das Problem in der Lehre kann unter anderem die zerstückelte Woche sein.“ Und: „Vielleicht wäre das ja für die Ausbildung in der eigentlichen Lehre ein Ansatz für eine Weiterentwicklung. Allerdings musste ich vor einigen Jahren feststellen, dass ein derartiges Konzept noch nicht reif für die Umsetzung war.“ Steter Tropfen höhlt den Stein…
Auch nach seiner Pensionierung liegen dem einstigen leitenden Direktor der UBS für Personalförderung und Ausbildung die Menschen in Aus- und Weiterbildung am Herzen. Wie alles, was er anpackt, setzt er sich noch heute mit Leidenschaft für die verschiedensten Anliegen ein. In diversen Arbeitsgruppen und Kommissionen der beruflichen Weiterbildung engagiert er sich, um seine Erfahrung einzubringen und von jüngeren Fachkräften zu lernen. Als Präsident der WISS Wirtschaftsinformatik-Schule Schweiz musste er schon manche Krise bewältigen. Er steuert zwar die Stiftung immer noch in unruhigen Gewässern. Indes: „Wir sind auf gutem Kurs.“ Wellen wirft überdies sein Engagement im Kanton Zürich, wo er sich politisch engagiert. Im Visier hat er die Gleichberechtigung von privaten Bildungsorganisationen im Zusammenhang mit dem neuen Berufsbildungsgesetz und den Service Public im Bildungswesen. Mit kritischen Empfehlungen fordert er die politischen und schulischen Instanzen heraus – zum Beispiel mit der Forderung nach mehr Wettbewerb und Kostenwahrheit.
Die Ideen und das Feuer für Bildungs- und auch soziale Anliegen gehen Niklaus Kubli im Ruhestand nicht aus – so engagiert er sich als Präsident der Alzheimer-Stiftung Sonnweid in Wetzikon. Er bleibt seinem Ideal treu, dass noch mehr Menschen Multiplikatoren im Dienste des dualen Bildungssystems und für eine lebenswerte Gesellschaft werden.